Suche
Close this search box.
Bilder: © Kantonsarchäologie, Kanton Aargau

Früher Tod im spätantiken Vindonissa

Vernissage der neusten Publikation der Kantonsarchäologie im Vindonissa Museum

Über Vindonissa in spätantiker Zeit ist noch immer wenig bekannt. Die Auswertung eines Gräberfelds am Hangfuss des Windischer Sporns gibt nun neue Einblicke in diese Zeit. Vor kurzem ist die Publikation der Kantonsarchäologie «Früher Tod im spätantiken Vindonissa» erschienen.

Das antike Vindonissa ist ein international bedeutender und gut erforschter Fundplatz. Besonders für die Zeit der römischen Legionen (ca. 17−101 n. Chr.) ist die Funddichte hoch und die Kenntnisse sind sehr gut. Über die Verhältnisse in spätantiker Zeit ist deutlich weniger bekannt, vieles liegt noch im Dunkeln. Nun gibt eine Publikation der Kantonsarchäologie Aargau neue Einblicke in die Geschichte von Windisch zwischen Antike und Frühmittelalter. Die Publikation «Früher Tod im spätantiken Vindonissa» von Michael Baumann befasst sich mit einem Friedhof aus dem 4. und frühen 5. Jahrhundert nach Christus.

Gräber in Gebäude
Das Gräberfeld befand sich am Hangfuss des Windischer Sporns, wo sich heute der Dorfteil Unterwindisch ausbreitet. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts gab es erste archäologische Untersuchungen, die Gebäudereste aus römischer Zeit zutage brachten. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurden aufgrund eines geplanten Neubaus grossflächige Grabungen notwendig. Zum Vorschein kam ein grosser Gebäudekomplex aus dem 1. Jahrhundert – also zeitgleich mit dem Legionslager Vindonissa. Das Gebäude war mit mächtigen Schichten überdeckt, in die rund 260 Jahre später, nachdem das Legionslager längst verlassen war, insgesamt 27 Gräber eingetieft wurden.

Das Gräberfeld umfasst insgesamt 27 Gräber mit 39 Bestattungen. Mehr als zwei Drittel sind junge Männer.

Keine guten Lebensbedingungen
Die 27 Gräber enthielten 39 Bestattungen. Die Anlage der Gräber, die beigegebenen Funde und insbesondere die menschlichen Überreste waren 2019 bis 2020 Teil einer interdisziplinären Auswertung im Rahmen einer Masterarbeit an der Universität Basel. Der Autor und Archäologe Michael Baumann widmete sich nicht nur der Auswertung der einzelnen Befunde und Funde, sondern hat sich intensiv mit übergeordneten Aspekten auseinandergesetzt, die es erlauben, sich den verstorbenen Menschen anzunähern. Die anthropologische Untersuchung zeigte, dass die Mehrheit der Individuen männlich war – 19 Männer stehen 8 Frauen gegenüber – die meisten davon verstarben in einem vergleichsweise jungen Alter von unter 30 Jahren. Ausgeprägte Muskelmarken und Stressläsionen lassen darauf schliessen, dass die meisten der bestatteten Personen zu Lebzeiten körperlich schwer gearbeitet haben. Sie litten unter dauerhaftem Stress und Zahnkrankheiten waren omnipräsent. Diverse Individuen wiesen Spuren von Infektionen auf – kurz: Die Bestatteten hatten keine guten Lebensbedingungen.

Die Verstorbenen wurden teils in ungewöhnlichen Haltungen bestattet, wie hier in der Bauchlage.

Ungewöhnliche Bestattungen
Die Geschlechts- und Alterszusammensetzung der Toten sowie die wenigen vorhandenen Beigaben weisen darauf hin, dass zumindest einige Soldaten beigesetzt wurden. Ungewöhnlich war die Lage einiger Verstorbener: zwei Männer wurden in Bauchlage bestattet. Diese Bestattungsform wird interpretiert als Stigmatisierung oder gar Angst vor Wiedergängern, aber auch als Abwehr vor epidemischen Krankheiten. Beide Männer wiesen Spuren einer Infektion auf. Andere Verstorbene waren in Seitenlagen und Hockerpositionen oder mit überkreuzten Beinen bestattet. Auch diese Positionen sind sehr unüblich in jener Zeit. Diese Indizien schlüsselt der Autor Michael Baumann in der Publikation akribisch auf und liefert damit einen spannenden Indizien-Prozess. Zusammen mit Radiocarbondaten aus den Knochenresten kommt der Archäologe zum Schluss, dass die Verstorbenen sehr wahrscheinlich in den Jahrzehnten zwischen 360 und 410 nach Christus einer Seuche zum Opfer fielen – also viel zu früh aus dem Leben schieden.


Ein paar wenige Grabbeigaben verweisen auf das römische Militär, wie diese Gürtelschnalle aus Bronze, die etwa um 400 n. Chr. datiert.

Vernissage im Vindonissa Museum
Die Publikation «Früher Tod im spätantiken Vindonissa» von Michael Baumann ist in der Reihe «Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa» erschienen. Das reich bebilderte Buch bietet auf kompakten 135 Seiten einen Einblick in eine bisher in Vindonissa kaum erforschte Zeit, die Spätantike, und schliesst damit eine Lücke in der Vindonissa-Forschung.

Die Vernissage findet am Donnerstag, 17. Oktober 2024, um 19.00 Uhr im Vindonissa Museum statt. Nach einer Begrüssung durch die Museumsleiterin und den stellvertretenden Kantonsarchäologen gibt der Autor Michael Baumann einen Einblick in die Resultate seiner Auswertung. Im Anschluss wird ein kleiner Apéro serviert. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

Die neuste Publikation der Kantonsarchäologie in der Reihe «Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa» ist soeben beim Verlag Librum Publishers & Editors erschienen. Das Buch ist im Buchhandel erhältlich oder kostenfrei zum Download als Open Access-Publikation verfügbar.
Download des Buches «FRÜHER TOD IM SPÄTANTIKEN VINDONISSA (GPV XXVIII)» auf librum-publishers.com

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Steininschriften von Vindonissa

21. November 2024: Römische Steininschriften gehören zu den wichtigsten Quellen für die Rekonstruktion der Geschichte von Vindonissa. Erstmals sind nun …

Buch zu den Badener Bädern

Die Auswertung zu den archäologischen Untersuchungen in den Badener Bädern ist weitgehend abgeschlossen. Nun ist der erste Band einer zweiteiligen …