Bild: iStock/HansJoachim

Beherztes Ja zur Biodiversität

Die Vogelwarte engagiert sich seit 100 Jahren für die Erforschung und Förderung der Vogelwelt und der Biodiversität. Sie ist parteipolitisch neutral und verzichtet in der Regel auf Abstimmungsempfehlungen. Die Biodiversitätsinitiative bildet eine Ausnahme: Die Vogelwarte unterstützt das Naturschutzanliegen. Dafür gibt es gute Gründe.

Die Rote Liste der Brutvögel der Schweiz ist seit 2001 unverändert lang, nach wie vor sind rund 40 % der Brutvögel bedroht. Besorgniserregend ist der deutliche Anstieg der Anzahl an Arten in der Kategorie «potenziell gefährdet » und die parallele Verringerung des Anteils der nicht gefährdeten Arten. Zwar zeigten mehrere Arten in den letzten zehn Jahren eine gewisse Erholung. Das Aussterberisiko für viele Arten ist aber nach wie vor hoch. Über alle Roten Listen zusammen ergibt sich gemäss dem Bafu-Bericht «Gefährdete Arten und Lebensräume in der Schweiz» von 2023 für insgesamt 47 % der Arten in der Schweiz ein Handlungsbedarf für Artenschutz und Artenförderungsmassnahmen. Die Schweiz weist wiederum gemäss Bafu von allen Industrieländern den höchsten Anteil an bedrohten Arten auf. Und: Typische Lebensräume wie Auen, Moore und Trockenwiesen haben gewaltige Verluste erlitten.

Zentrale Lebensgrundlage
Eine intakte Biodiversität ist aber kein Selbstzweck, sondern auch die zentrale Lebensgrundlage für den Menschen. Die Natur liefert uns kostenlos unverzichtbare Ökosystemleistungen, wie intakte Böden und Kontrolle von Schadorganismen für die Nahrungsmittelproduktion, sauberes Wasser und reine Luft. Kein Wunder also, dass der Bundesrat in seiner Botschaft zur Biodiversitätsinitiative die Kosten durch den Biodiversitätsverlust ab 2050 auf 14 bis 16 Milliarden Franken schätzt – pro Jahr! Sogar die Wirtschaft warnt vor grossen Folgen: Das World Economic Forum hat 2024 in seinem «Global Risk Report» die grössten Risiken für die Weltwirtschaft in den nächsten zehn Jahren evaluiert. Auf Platz eins stehen extreme Wetterereignisse, auf Platz zwei kritische Veränderungen von Erdsystemen und auf Platz drei Biodiversitätsverlust und Ökosystemkollaps.

Das Auerhuhn beispielsweise bewohnt lockere, strukturreiche Nadelwälder. Dank der gezielten Bewirtschaftung der Wälder, die auch nach der Annahme der Initiative möglich und sogar gewollt ist, kann Lebensraum für das Auerhuhn erhalten und neu geschaffen werden.

Wissenschaft und Wirtschaft zeigen also klar: Entschlossenes Handeln zur Förderung der Biodiversität ist dringend notwendig. Hier kommt die Biodiversitätsinitiative ins Spiel: Sie fordert unter anderem, dass zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität die erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente zur Verfügung stehen.
Damit nimmt die Initiative zentrale Anliegen der Vogelwarte auf, für die sie sich seit Jahrzehnten einsetzt, zuletzt im «11-Punkte-Plan» 2019. Aus den Resultaten des Brutvogelatlas 2013–2016 formuliert er den Handlungsbedarf zur Förderung der Vogelwelt. Dazu gehören etwa die Schaffung und Förderung eines Netzes von ausreichend nassen Feuchtbiotopen mit Pufferzonen und entsprechender Pflege und die Erhaltung von möglichst grossen störungsarmen Räumen insbesondere im alpinen Raum, im Wald und in Feuchtbiotopen.
Um Management, Besucherlenkung und Aufsicht in Schutzgebieten zu gewährleisten, müssen die zuständigen Stellen bei Bund und Kantonen mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werden, was heute oft nicht der Fall ist. Viele Schutzgebiete sind in einem schlechten Zustand. Das trifft selbst auf die bereits durch die Verfassung geschützten Moore zu. Aus diesen Gründen unterstützt die Vogelwarte erstmals eine Volksinitiative.
Gerade die weitere Nutzung und die Pflege der Landschaften sind oft entscheidend. Die Bewirtschaftung wird also auch bei Annahme der Initiative nicht generell eingeschränkt. Beispiele hierzu sind die langjährigen Projektgebiete der Vogelwarte in der Champagne genevoise, der Wauwiler Ebene LU und im Klettgau SH, wo landwirtschaftliche Produktion und Biodiversitätsförderung Hand in Hand gehen. Lichte Wälder, gewisse Moorgebiete und Trockenwiesen sind sogar auf eine angepasste Bewirtschaftung angewiesen, damit sie für die Biodiversität von Bedeutung bleiben.

Die Vogelwarte setzt sich schon lange für Lebensraumaufwertungen ein. Aktuelle Beispiele sind etwa die Sicherung von Wäldern, die durch Stürme oder Trockenheit getroffen wurden, und verschiedene Projekte im Rahmen von «Aufschwung für die Vogelwelt », etwa zur Wiedervernässung von Mooren. Solche Projekte können nur mit Partnern realisiert werden. Unabhängig vom Ausgang der Biodiversitätsinitiative wird Vogelwarte die gute Zusammenarbeit mit allen Partnern fortführen, um die Biodiversität und speziell die bedrohten Brutvögel zu fördern.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Asiatische Hornisse im Freiamt aufgetaucht

Asiatische Hornissen sind invasive Neozoen, die ursprünglich aus dem indochinesischen Raum stammen. Im Jahr 2017 wurden die ersten Individuen in …

Aargauer Naturpreis 2025:

Mit dem alle zwei Jahre vergebenen Aargauer Naturpreis will der Kanton herausragende, innovative und wirksame Projekte zur Förderung der Biodiversität …

Food Waste:

Rund 170’000 Tonnen Brot werden in der Schweiz allein in Gastronomie, Handel und Haushalten jährlich verschwendet. Reiht man handelsübliche Toastbrote …